Montag, 29. Februar 2016

Februaraphorismen

      Wahrheit ist der Weg des Bewusstseins, immer wieder erneut auf sich zurück zu kommen. Sich immer wieder erneut der eigenen Ausgesetztheit bewusst zu werden, die eine Unendlichkeit ist. Ausgesetzt und auf den Anderen ausgerichtet zu sein, ist die einzig wirklich positive Aussage, die ich über mich tätigen kann. 

Sonntag, 28. Februar 2016

Februaraphorismen

·         Mir schmeichelt der Gedanke, es existiere keine stringente, objektive Zeit des Seins. Nur subjektive Seneszenz und das maskierte Gefühl von Vergangenheit. Und die Welt sei darin nur ein All der erscheinenden Dinge. Daraus schließt sich die Einsicht, nur auf Besuch auf der Welt zu sein. Nicht die Illusion einer abgeschlossenen, schlüssigen Welt, sondern zu Leben an sich macht Sinn, auch wenn sich dieser erst mit dem Tod vollständig offenbaren kann. Zu Leben ist nicht nur ein Werturteil (Camus), sondern insofern auch sinnvoll, als dass es eine Annäherung an einen metaphysischen Sinn, einen indifferenten Zustand der Wiedervereinigung darstellt. Eine solche persönliche Einsicht ist für den von der Welt Überwältigten insofern tröstlich, als dass die Erkenntnis eines Sinns außerhalb der Welt die Aussicht auf Versöhnung des eigenen zutiefst vom Anderen Getrennten und Unvermittelbaren indiziert: demnach besuche ich die Welt nur, und muss nicht als Seiendes in ihr aufgehen. Nichtsdestotrotz ist es beinahe unmöglich, sich außerhalb des Seins denken zu wollen, da die Welt eine gewisse, fundamentale Form von Identifikation einfordert. Daher ist die Liebe zu ihr auch so beschädigend, denn erzwungen und alternativlos. „Krank bin ich vor Liebe.“ (Hoheslied V, 8) 
      Der Andere erweist sich in diesem Zusammenhang von fundamentaler Bedeutung. Ohne der Einsicht in die durchdringende Geltung transzendenter Einbrüche in die Innenwelt des Ichs, konkret in Form der Verantwortung gegenüber dem Anderen und der beschädigenden denn bedingungslosen Liebe zu ihm, die im Sein erscheinen und unser Denken und Fühlen unterbewusst affizieren und besessen machen, entleert sich auch die Bedeutung eines Sinns jenseits des Seins. Dem Verlust des Glaubens an die Verantwortung und Liebe korreliert also ein Verlust von Sinn und Substanz überhaupt. Es ist daher nicht die Aufgabe, sich außerhalb des Seins zu stellen, sondern das Sein nicht zu verabsolutieren. Die Liebe erscheint uns in der Welt, ihr teleologischer Charakter verweist jedoch auf das Jenseits.

      "Das wahre Leben ist abwesend, doch wir sind auf der Welt." - Emmanuel Lévinas

Donnerstag, 25. Februar 2016

Februaraphorismen

·         Wie wahr und kanalisierbar in Begriffen des Verstandes können Empfindungen sein? Wie viel Vermittelbarkeit und Wahrheit liegt darin,

    ... dass all die Versäumnisse, die sich zumindest als solche anfühlen und verkaufen wollen, aber mit denen ich mich jedenfalls nach wie vor identifiziere …   

    ... dass all die bedeutungsvollen sowie bedeutungslosen Niederlagen, die mein Herz bewusst oder unbewusst mal für sich einnahmen und es noch für sich einnehmen … 
  
     ... dass all die Niederlagen und Versäumnisse also nicht in der Schuldhaftigkeit falscher Handlungen oder eines mangelnden Glaubens sondern in einer fatalistisch schattierten Verfasstheit meines Lebens wurzeln, in dem ich zwar als frei und naiv Handelnder und Glaubender, und doch immer auch schon als Besiegter und zu spät Gekommener erschien und erscheine ...

    ... dass sie das mittlerweile gekippte Potential besaßen vielleicht doch noch versöhnt und damit eine kohärente, schlüssige Welt wiederherzustellen … 

    ... dass sie in meinen Geist eingebrannt sind als dessen Schwere und Spezifität, sich zugleich jedoch auch in Gestalt einer unbelehrbaren Hoffnung auf Auflösung, einer lebendigen Erinnerung an sie, eines ihnen gewidmeten wehmütigen Gedankens, vor allem aber herauskristallisiert in der alles berührenden, transzendierenden Musik zu steigern und intensivieren vermögen. 

      Unaufhörlich betroffen machen. 
       
      Erschüttern.    
       
      Beschädigen.    
               
     Warum sie als ersehnte Bilderfetzen ungelebten Lebens und unerfüllter Chancen unweigerlich Besitz von mir nehmen; fordern, geliebt zu werden. 
  
      Mich mir selbst als unendlich unfrei erscheinen lassen und in Passivität kulminieren.
      

Montag, 22. Februar 2016

Februaraphorismen

·  Jede einzelne, erneute Wahrnehmung erschüttert auf eine individuelle Weise, fordert Hingabe und Beachtung, ist immer auch Wiedererinnerung. Beschädigende Liebe zu einem Traum, der sich Wirklichkeit nennt. Jeder Tag zerreißt sich in seiner Doppeldeutigkeit, einerseits naive, unhinterfragte Erfüllung undurchsichtiger Pflichten und künstlicher Erwartungen, andererseits zärtliches Déjà-vu, Potentialität wahren Lebens zu sein, das man von irgendwoher kennt. So eindringlich pulsieren in manchen hingebungsvollen Wahrnehmungen Schatten von Versöhnung und Auflösung. Schatten als Spuren eines tröstlichen Zustandes vor der Geburt.