Sonntag, 28. Februar 2016

Februaraphorismen

·         Mir schmeichelt der Gedanke, es existiere keine stringente, objektive Zeit des Seins. Nur subjektive Seneszenz und das maskierte Gefühl von Vergangenheit. Und die Welt sei darin nur ein All der erscheinenden Dinge. Daraus schließt sich die Einsicht, nur auf Besuch auf der Welt zu sein. Nicht die Illusion einer abgeschlossenen, schlüssigen Welt, sondern zu Leben an sich macht Sinn, auch wenn sich dieser erst mit dem Tod vollständig offenbaren kann. Zu Leben ist nicht nur ein Werturteil (Camus), sondern insofern auch sinnvoll, als dass es eine Annäherung an einen metaphysischen Sinn, einen indifferenten Zustand der Wiedervereinigung darstellt. Eine solche persönliche Einsicht ist für den von der Welt Überwältigten insofern tröstlich, als dass die Erkenntnis eines Sinns außerhalb der Welt die Aussicht auf Versöhnung des eigenen zutiefst vom Anderen Getrennten und Unvermittelbaren indiziert: demnach besuche ich die Welt nur, und muss nicht als Seiendes in ihr aufgehen. Nichtsdestotrotz ist es beinahe unmöglich, sich außerhalb des Seins denken zu wollen, da die Welt eine gewisse, fundamentale Form von Identifikation einfordert. Daher ist die Liebe zu ihr auch so beschädigend, denn erzwungen und alternativlos. „Krank bin ich vor Liebe.“ (Hoheslied V, 8) 
      Der Andere erweist sich in diesem Zusammenhang von fundamentaler Bedeutung. Ohne der Einsicht in die durchdringende Geltung transzendenter Einbrüche in die Innenwelt des Ichs, konkret in Form der Verantwortung gegenüber dem Anderen und der beschädigenden denn bedingungslosen Liebe zu ihm, die im Sein erscheinen und unser Denken und Fühlen unterbewusst affizieren und besessen machen, entleert sich auch die Bedeutung eines Sinns jenseits des Seins. Dem Verlust des Glaubens an die Verantwortung und Liebe korreliert also ein Verlust von Sinn und Substanz überhaupt. Es ist daher nicht die Aufgabe, sich außerhalb des Seins zu stellen, sondern das Sein nicht zu verabsolutieren. Die Liebe erscheint uns in der Welt, ihr teleologischer Charakter verweist jedoch auf das Jenseits.

      "Das wahre Leben ist abwesend, doch wir sind auf der Welt." - Emmanuel Lévinas

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